Course No.: 848136
Teaching: Karolin Schmidbaur, Gilbert Sommer, Gonzalo Vaillo-Martinez

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In diesem Bachelor Studio beschäftigen wir uns mit dem Thema “PALAST” und entwerfen und
entwickeln daraus eine vielschichtige, komplexe Architektur als Ausdruck einer individuell gewählten
Haltung.

Das Thema “Palast” ist als konkretes, aber offenes Thema bewusst gewählt. Einen Palast assoziieren wir
üblicherweise mit etwas Schönem, Erhabenem, Ausdrucksvollen, mit überdimensionaler Raumerfahrung
und mit einer Wohnstatt exzentrischer Ideen. Mit Prunk, Reichtum und Fülle, daraus resultierend auch
mit Macht, Einfluss und Repräsentation, aber auch mit inneren Träumen und Wünschen, mit Phantasien,
mit Potential und unbegrenzten Möglichkeiten. Auch ein Palast der Bescheidenheit ist denkbar, wobei
auch mit ihm das Element des Edlen, Erhabenen verbunden ist. Ein Palast kann viele Formen annehmen;
er ist insofern frei (also wild und unberechenbar) für eine individuelle Neudefinition seiner inneren und
äußeren Räume.

In der Architekturgeschichte finden wir Paläste in allen Kulturen und Epochen, jeweils als Ausdruck ihrer
Zeit, Kultur, der jeweiligen Gesellschaftsform und ihrer Wertestruktur und Haltung. Waren es vorher
Themen wie Mythologie, Religion, oder später Wissenschaft, so sind aus der kürzlichen Vergangenheit
Paläste der Unterhaltung und des Konsums (Kino, Einkaufszentrum) oder auch der Kunst (Museen)
Ausdruck eines vorrangig materiellen Weltbildes.
….. Paläste haben etwas Prachtvolles, Repräsentatives, aber auch etwas Wildes, Geheimnisvolles.
….. Paläste existieren in und zwischen den Extremen des Materiellen und Transzendentalen.
….. In Palästen “wohnen” unterschiedliche Personengruppen oder andere Lebewesen, sie können in sich
ein ganzer Kosmos sein.

AUFGABE
Uns interessiert eine Neudefinition des Palastes für unsere Zeit und als Motor für Transformation in die
Zukunft, ein individuell gewählter Zugang zu und ein daraus resultierender Ausdruck für eine
zeitgemäße, neu erfundene Architektur und ihrer Nutzer. Diese entwickeln wir Schritt für Schritt in
einem offenen Entwurfsprozess.
Teil des pädagogischen Prozesses des Studios ist das Erlernen des Lesens (Erkennens, Interpretierens
und Übersetzens) von Entwurfsspuren und -potenzialen, die sich im Arbeitsprozess (insbesondere in den
frühen Arbeitsphasen) eröffnen.
Dies bedeutet, sich aus bekannten Denkmustern zu lösen und zu üben, die Welt mit anderen Augen zu
sehen. Absichtlich kombinieren wir freies, assoziatives mit abstrakt-logischem und analytischem
Denken.
Wir fragen uns also, welche Werte jetzt einen Palast bestimmen, in einer Zeit der flachen Hierarchien,
Diversität, Auflösung der Subjekt-Objekt Beziehung, der Zentralperspektive, Autorenschaft und des
Anthropozentrismus? Wie sieht er aus, der Palast der Zukunft, mit anderen Augen gesehen?
Was konstituiert ihn? Wer bewohnt ihn, für was steht er?
INSPIRATION
.…… 21 Jh bestimmt von der Suche nach Verbindung zw Welt und Natur
…… Von der Auflösung der Hierarchie zwischen Geist und Materie (Ordnung und Chaos, Abstraktion und
Intuition)
…… Mensch, Technologie und Natur
…… Subjekt und Objekt
…… Resultierend ist eine Auflösung von Hierarchie und Dualität des 20. Jh
…… Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.
…… Dies untersuchen wir unter dem Thema der “Hybridität” (als Verbindung von Gegensätzen).
…… Gebäude werden normalerweise dem Feld “Welt” zugeordnet, als ob sie im Vordergrund eines
Kontextes von Natur existierten. Was aber, wenn Objekt und Grund, Vorder- und Hintergrund in ein
gemeinsames Feld verschwimmen?
…… Techniken des Denkens verbinden: ‘wildes’ und abstraktes Denken.
…… Auflösung von Architekt als Gestalter und User (Benutzer) verschwimmen.
Material, Natur, Zeit, Architekt, Nutzer, die Psyche, Zufall, etc….. werden zum Gestalter von Raum.
….. Palast der Winde neu gedacht, als komplett offenes Gebäude, der Wind sein Körper……..
Es wird erwartet, dass jedes Projekt einen individuellen Ansatz für die Bedeutung des Palastes
entwickelt.

PROZESS
Thema – Mittel – Entwurf (warum – wie – was)
Zentrales Anliegen des Arbeitsprozesses ist die Entwicklung innovativer, architektonischer Vorschläge.
Ein Pool von Referenzen bildet den Ausgangspunkt für die Definition eines individuell gewählten,
architektonischen Themas in Verbindung mit der Aufgabe des Palastes. Jede Referenz wurde von uns in
Bild und Begriff einer darin enthaltenen Thematik zugeordnet. Zu welcher architektonischen Typologie
die Referenz dabei gehört, ist nicht relevant.
Die Referenzen stehen jeweils auch für eine bestimmte innovative, architektonische Herangehensweise
(Mittel), die Raum produziert. Sie führt in unserem Fall über mehrere Schritte zum Entwurf des Palastes.
Die Auswahl der Referenz ist der Ausgangspunkt der individuellen Arbeit jedes/r Studierenden. Sie
initiiert die eigene Konzeptfindung und ist eine Hilfestellung, um von fixen architektonischen
Vorstellungen weg zu führen und neue Themen zu erschließen.
In mehreren konkreten Teilaufgaben erarbeiten wir Räume in unterschiedlichen Maßstäben und mit
unterschiedlichem Grad der Geschlossenheit (Innen – Außen).
Die erste Entwurfsaufgabe ist ein SALON, ein einzelner Raumkörper, der aber in sich komplex sein kann
(Raum im Raum, etc.). Ein Mikrokosmos an Ideen, klein im Maßstab, jedoch angereichert mit einer
Vielzahl architektonischer Themen vom Raum bis zur Materialität.
Die zweite Entwurfsaufgabe ist ein GARTEN, synonym für einen gestalteten Außenraum, der aber über
einen Ort der Natur oder Freizeit hinausgeht.
Im dritten Schritt entwickeln wir den PALAST als vielschichtige, räumliche Struktur (Metazeller, inkl.
einer überdimensionalen Raumerfahrung) im Zusammenspiel von Innen- und Außenräumen.
Der Designprozess wird so zu einer investigativen Suche, die zahlreiche Wege zur Erkundung aufzeigt.
Für diese Suche nutzen wir eine breite Palette von Werkzeugen, Ideen und Medien, die für sich
unterschiedliche Aspekte des Projektes behandeln. Im Laufe des Prozesses entsteht ein Netz von
Verbindungen, in dem verschiedene Ideen und Konzepte nahtlos ineinandergreifen und schließlich
konkrete architektonische Ausdrucksformen zum Vorschein kommen. Dieser dynamische Ansatz ist stets
anpassungsfähig und wird durch neu entstehende Verbindungen und Erkenntnisse geprägt, die das sich
entwickelnde architektonische Konzept immer wieder neu definieren.

ZIEL
Ziel des ersten Semesters ist es, das eigene Thema und die eigene Herangehensweise zu finden, zu
schärfen und in die einzelnen, konkreten Raum Prototypen (Salon, Garten, Palast) zu übersetzen.
Es wird erwartet, dass jedes Projekt einen individuellen Ansatz für die Bedeutung des Palastes
entwickelt.
Im zweiten Semester entwerfen wir den Palast als multimediales, aber konkretes architektonisches
Gefüge. Je nach individueller Herangehensweise wird das Projekt über unterschiedliche Medien
kommuniziert.
Die Architektur ist kontextualisiert und fungiert im Sinne eines konkreten, materialisierten Gebäudes
mittlerer Größe und birgt – zumindest teilweise – thermisch umschlossenen Raum. Sie ist konstruktiv
und energetisch sinnvoll entwickelt und schlüssig dargestellt.
Erwartet werden für die Bachelorarbeit vollständig durchgearbeitete Architekturprojekte, dargestellt in
architektonischen Zeichnungen (Grundriss, Schnitt), physischen Modellen, Photos, Rendering/ Videos,
System-Diagrammen, Details, und physischen Modellen. Über die klassische Architekturdarstellung
hinausgehende Repräsentationen (virtuelle Erfahrungsräume, Simulationen, etc.) sind gewünscht und
individuell zu bestimmen.
Alle Projekte werden in der Summer Show 2024 öffentlich präsentiert. Die Gestaltung der Ausstellung ist
hierbei Teil der Aufgabe im Studio.

METHODE
Wir arbeiten iterativ und multi-medial. Wir arbeiten einzeln, in Teams-of-Two- und auch gemeinsam in
der ganzen Gruppe. Einzelne Übungen und Experimente bedienen sich unterschiedlicher analoger und
digitaler Arbeitsumgebungen, um die gesuchten, räumlichen und zeitlichen Qualitäten des zu
entwerfenden Raumes zu erkunden. Dies sind analoge und digitale Modelle, Texte, virtuelle
Umgebungen, Data Simulationen, soziale Medien, Fotografie, Video, Skizzen, Zeichnungen u.a.
Darstellungen. Wir benutzen das uns zur Verfügung stehende Potential natürlicher und künstlicher
Intelligenzen und überführen es in architektonische Intelligenz. Die anfangs möglicherweise
unzusammenhängend erscheinenden Arbeitsfragmente untersuchen Teilaspekte der zukünftigen
Architektur und werden schlussendlich in eine kohärente Architektur übersetzt und zusammengeführt,
in der Erwartung, dass diese ihrerseits vielschichtig und differenziert und dadurch offen für
unterschiedliche Lesarten sein wird.
Eventuelle “Unschärfen” und “Fehler” in der Übersetzung der unterschiedlichen Medien werden als
Bereicherung und Methode genutzt, um ein Formen- und Raum Repertoire abseits gängiger,
persönlicher Vorstellungen und Routine zu generieren. Die Synergieeffekte, die im Wechselspiel
zwischen analogem und digitalem Arbeiten entstehen, bilden gemeinsam mit dem kontinuierlichen
Erstellen unterschiedlicher Entwurfsvarianten die methodische Basis des Entwerfens.

ORGANISATION
Die Arbeit erfolgt teilweise individuell, teilweise in Gruppen (Teams-of-Two) und teilweise als ganze
Gruppe.
Wöchentliche Studios (voraussichtlich Donnerstag, 10:00 Uhr) – physische Treffen, zoom nur in
Ausnahmefällen. Die Studios werden als Ateliertage abgehalten, d.h. alle Teilnehmer*innen sind
während der gesamten Studiodauer anwesend, arbeiten an ihren Projekten und tauschen sich mit den
Lehrbeauftragten und untereinander aus. Bitte immer Zeichen-, Modellbaumaterial, Laptop und die
für die Konzeptentwicklung wesentlichen Unterlagen aus den vorangegangenen Studios mitbringen.
Erstes Treffen und Präsentation von Aufgabe 1:
Donnerstag, 5. Oktober 2023 um 10:00 Uhr am Hochbau Institut.
Lehrende: Karolin Schmidbaur, Gilbert Sommer, Gonzalo Vaillo-Martinez

LITERATUR
Michel Foucault: Andere Räume (1967)
Gaston Bachelard: Poetik des Raumes
Peter Eisenman: Aura und Exzess / Zur Überwindung der Metaphysik der Architektur
Jean Gebser: Ursprung und Gegenwart
Pierre Levi-Strauss: Wildes Denken
Roland Barthes: The Neutral
Italo Calvino: Invisible Cities

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