Mit den Ereignissen der letzten Jahre ist die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels offensichtlich geworden. Dieser beeinflusst die meisten Schichten unseres Daseins, einschließlich unseres Alltags und natürlich auch die Architektur, denn die bekannten Konzepte homogener Strukturen wie sie das 20. Jahrhundert beherrscht haben, können den komplexen Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr gerecht werden.
In Zeiten des Wandels stellt sich die Frage, wie eine positive Transformation unterstützt und gestaltet werden kann. Die Kräfte, die Transformation beeinflussen, sind nicht Konzepte oder konkrete Projekte und Ambitionen, sondern veränderte Werte, eine veränderte Haltung, die wir gegenüber der Welt und uns selbst einnehmen. Sie bilden die Grundlage unserer Motivation und unseres Handelns und können so eine Transformation herbeiführen – eine grundlegende Veränderung, die von innen heraus herbeigeführt wird.
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Als eine der grundlegenden Verschiebungen erleben wir eine Neupositionierung weg vom Menschen als Mittelpunkt der Welt. Damit weichen Modelle von Hierarchie, Zentralperspektive, Autorenschaft und Subjekt-Objekt-Beziehungen, die unser Denken seit Jahrhunderten beherrschen, Vorstellungen von Handlungsfähigkeit, Autonomie, Reziprozität, Mehrdeutigkeit, Hybridität und Mehrdimensionalität. Autoren wie in untenstehender Liste geben hierzu visionäre Konzepte, die auch für die Architekturpraxis fruchtbar sind. Entlang dieser Konzepte verschränken sich biologische Organismen, Ökosysteme, Lebewesen und Nichtlebewesen, Natur und Kultur, Analoges und Digitales in komplexen Beziehungen einer heterogenen Struktur auf Augenhöhe. Jeder komplexe Organismus ist nie nur einer, sondern verändert sich dynamisch über lange Zeiträume und über verschiedene Phasen hinweg, abhängig von der Umgebung und vielen anderen Faktoren. Das Architekturprojekt kann ebenso als ein solcher Organismus verstanden werden. Interessanterweise legt ein aktuelles Modell der Hirnforschung1 nahe, dass unsere individuelle Wahrnehmung der Welt durch „Modelle“, („Karten“) oder Referenzsysteme im Gehirn sowie durch Bewegung geformt wird. Nach dieser Theorie erstellt das Gehirn Modellfragmente der Welt, die gespeichert werden. Während wir uns durch die Welt bewegen, werden im Gehirn ständig Vorhersagen über zukünftige Erfahrungen gemacht und tatsächliche Erfahrungen mit gespeicherten Modellen und Vorhersagen verglichen. Es gibt also kein richtiges oder falsches Modell oder Weltbild, sondern wir alle konstruieren und rekonstruieren unsere Welt ständig durch eine Vielzahl von Modellfragmenten, die von persönlichen, molekularen, physischen und nicht physischen, umweltbedingten und zahlreichen anderen Faktoren beeinflusst werden, die ständig in Bewegung sind. Veränderung und wechselnde Sichtweisen sind in unsere Wahrnehmung der Welt eingebaut. Entscheidungsfindung ist nicht hierarchisch, sondern basiert auf Konsens. Der Titel „A thousand codes“ spiegelt die Idee der Multidimensionalität für die Organisation unseres Studios wider. Wie die Modellfragmente in unserem Gehirn verbinden sich auf dieser Plattform mehrere Formate und Schwerpunkte in Forschung und Lehre und positionieren sich neu, um kaleidoskopische Antworten auf anstehende Fragen zu formulieren. Nie starr, sondern auf Augenhöhe und basierend auf gemeinsamen Werten, ist A thousand codes selbst ergebnisoffen, mehrdimensional, interpretativ und heterogen. Es ist ein komplexes System, das nicht fixen Vorstellungen folgt, sondern flexibel, fließend, spontan und plastisch bleibt und sich als Reaktion auf das Unerwartete ändern und zu unvorhergesehenen Lösungen führen kann. Damit wollen wir zu Veränderung beitragen, einer, die von innen herbeigeführt ist und äußere Folgen hat. Authoren (alphabetisch): Karen Barad Roberto Bolaño Peter Eisenman Michel Foucault Heléne Frichot Erich Fromm Jean Gebser Donna Haraway Graham Harman Jeff Hawkins Eva Hesse Bruno Latour 1 Hawkins, J., A thousand Brains, 2021
With the events of the last decade, the need for a paradigm shift has become obvious. It influences most layers of our existence, including our everyday lives and of course also architecture. The familiar, homogeneous concepts of the 20th century can no longer do justice to the complex challenges of our time.
In times of change, the question arises how positive transformation can be supported and shaped. The forces influencing transformation are not concepts or specific projects and ambitions, but changing values, a changed attitude that we take towards the world and ourselves. They form the basis of our motivations and actions and can thus cause transformation – a fundamental change brought about from within.